Abstract: Kristin Kopf
Was ist so besonders an Gott? Ein grammatischer Abweichler im Frühneuhochdeutschen
Die Verwendung des Lexems Gott in frnhd. Texten erscheint in Bezug auf eine Reihe von primär morphosyntaktischen und morphologischen Merkmalen mitunter ungewöhnlich. So ist Gott trotz appellativischer Herkunft schnell als Theonym den Eigennamen zuzuschlagen (vgl. z.B. Greule 2012/2013) – verhält sich aber nicht exakt wie diese:
Bei Nachstellung in attributiven Genitivkonstruktionen ist Gott beispielsweise schon im Frnhd. artikellos (die Liebe Gottes), während Rufnamen in (seltenerer) Nachstellung auch mit Artikel möglich sind (altertümlich die Liebe der Katharina). Die Struktur von Gott-Genitivkonstruktionen ähnelt somit – obwohl Gott stets geduzt wird – eher der mit Familiennamen (die Thesen Freuds).
Auch in Bezug auf den Genitivstellungswandel verhalten sich Gott-Attribute semantisch unerwartet: Während Personenbezeichnungen und Eigennamen noch Voranstellung wahren, wird Gott im 17./18. Jh. mit Konkreta und Abstrakta zusammen nachgestellt (zu 86%, Kopf 2016). Hier ist zu überlegen, ob es sich tatsächlich (nur) um ein Resultat lat. Sprachkontakts handelt (so Reichmann/Wegera 1993: 337), oder ob eine temporäre Differenzierungsstrategie gegenüber den nicht-göttlichen Menschen entsteht. Hinzu kommen Auffälligkeiten in Komposita und Flexionsmorphologie, die Gott zu mehr phonologischem Gewicht verhelfen.
Gott nutzt – trotz der starken Parallelen zu den Anthroponymen – immer wieder grammatisch mögliche, sonst jedoch seltener begangene Pfade, und hebt sich damit subtil ab. Der Vortrag eruiert, inwiefern im Frnhd. tatsächlich von einer grammatischen Sonderstellung von Gott gesprochen werden kann, die seine Sonderstellung in der zeitgenössischen christlichen Vorstellungswelt abbildet.
Literatur
- Greule, Albrecht (2012/2013): Theonyme. In: Namenkundliche Informationen (101/102), 11-21.
- Kopf, Kristin (2016): Von der Syntax in die Wortbildung. Zur Diachronie der verfugenden N+N-Komposition. Diss., Universität Mainz.
- Reichmann, Oskar & Klaus-Peter Wegera (Hgg.) (1993): Frühneuhochdeutsche Grammatik. Tübingen.