Abstract: Norbert Nagel
Hoch- und niederdeutsche (Schreib-)Sprachenvielfalt im Spiegel von Reformation und Reichspolitik. Der Nürnberger Religionsfriede vom 24. Juli 1532 und der Regensburger Reichstagsabschied vom 27. Juli 1532
Seit dem ausgehenden Mittelalter wurden die zentralen politischen Versammlungen, die das gesamte Hl. Römische Reich Deutscher Nation betrafen, als Reichstage bezeichnet. Sie wurden in unregelmäßigen Abständen in süd- oder mitteldeutschen Freien und Reichsstädten abgehalten, fanden also ausschließlich im mittel- und oberdeutschen Sprachraum statt. Die Reichsstände aus dem niederdeutschen Norden des Reiches waren, wie alle Reichsstände, gezwungen, Bevollmächtigte zu den Reichstagen zu entsenden oder in eigener Person dort zu erscheinen. Die Teilnahmepflicht am Reichstag hatte zur Folge, dass im Norden schon im 15. Jahrhundert, der Blütezeit des Mittelniederdeutschen, sowohl das Bewusstsein von der Bedeutung des Hochdeutschen für Fragen der Reichspolitik, der Reichsreform und auch des Reichsrechts als auch der Bedarf an Fachkräften mit ausreichenden Hochdeutschkenntnissen zunahm. Im Ergebnis erfolgte im Verlauf des 16. Jahrhunderts im gesamten niederdeutschen Sprachraum ein Schreibsprachenwechsel vom Niederdeutschen zum Hochdeutschen. Der immense Zuwachs der Schriftlichkeit seit dem ausgehenden Mittelalter eröffnet der Sprachgeschichtsforschung hinsichtlich der Reichstage ein breitgefächertes Spektrum an Untersuchungsfeldern. Hierzu zählen etwa die Schriftlichkeit und das sprachliche Verhalten der jeweiligen Akteure, die aus allen Sprachregionen des Reiches stammen konnten. Ihre Namen sind z.B. in Reichstagsabschieden leicht greifbar. Im Sommer des Jahres 1532, zeitgleich zu einem in Regensburg abgehaltenen Reichstag, wurde in Nürnberg der Religionsfriede zwischen Kaiser und Protestanten ausgehandelt. Am Beispiel einiger aus dem niederdeutschen Norden stammender Gesandter soll das Phänomen der (Schreib-)Sprachen-vielfalt eines reformationszeitlichen Reichstages in den Blick genommen werden.