Abstract: Jan Seifert
‚Subversive‘ Sprachbildung. Rhetorisch-persuasive Strategien für das Deutsche in frühneuzeitlichen Lehrbüchern
Für die Reformation und ihre Durchsetzung spielen deutschsprachige Texte eine erhebliche Rolle. Festzustellen ist, dass die Autoren im ‚Kirchenkampf‘ über persuasive Strategien verfügen und sie textsortenspezifisch nutzen. Wie aber Akademiker in der Frühen Neuzeit überhaupt auf einen angemessenen und wirkungsvollen Gebrauch der Muttersprache vorbereitet wurden, ist bislang nur wenig untersucht. Auch an reformatorisch geprägten Universitäten war die Wissenschaftssprache weiterhin Latein, und die Ausbildung in den artes-Fächern orientierte sich an antiken Schriften, wenngleich zeitgenössische Gattungen wie das genus didaskalikon (Melanchthon) oder aktuelles, reformatorisches Gedankengut Berücksichtigung fanden Deutschsprachige sprachreflexive Schriften (z.B. Riederer 1493; Goldtwurm 1545) spielten zumindest im akademischen Kontext eine untergeordnete Rolle. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass zweisprachige frühneuzeitliche Autoren über ein bestimmtes stilistisches Bewusstsein verfügen und ein metasprachliches Wissen über die Wirksamkeit bestimmter Sprachmittel und Kommunikationsstrategien bestand. Zu untersuchen bleibt im Einzelfall, wie die Autoren des Reformationszeitalters ihre anhand des Lateinischen erworbenen rhetorischen Fähigkeiten und stilistischen Normen auf die deutsche Sprache übertragen und ggf. modifiziert haben.
Im Vortrag soll u.a. folgenden Fragen nachgegangen werden:
- Inwieweit finden sich in elementaren und ggf. an Artistenfakultäten verwendeten Lehrbüchern des Reformationszeitalters Hinweise auf sprachliche und persuasive Strategien, die der Durchsetzung reformatorischer Ziele dienlich sein konnten und gewissermaßen eine ‚heimliche‘ Ausbildung in der deutschen Sprache dokumentieren?
- Inwieweit sind in frühen sprachreflexiven Schriften zum Deutschen (z.B. Wörterbüchern, Grammatiken) rhetorisch-stilistische Prinzipien kodifiziert?
- Gibt es metasprachliche Äußerungen, die Aufschluss über die Praxis der rhetorischen Gestaltung bieten?
- Finden sich in einzelnen reformatorischen Texten konkrete Hinweise auf die Rezeption bestimmter rhetorisch-stilistischer Programme?
- Lässt sich in reformatorischen Texten eine systematische Nutzbarmachung und Ausbau bestimmter persuasiver Mittel beobachten, die den Gegebenheiten des Deutschen Rechnung tragen?